Warum ist die „faktische Geschäftsführung“ so umstritten?
Wenn die Justiz an einen Beteiligten in einem Sachverhalt nicht recht herankommt, versucht sie zuweilen, eine „faktische Geschäftsführung“ zu behaupten. Dies geschieht nicht nur im Wirtschaftsstrafrecht, sondern genauso im Steuerrecht oder Insolvenzrecht. Tatsächlich hat diese Konstruktion ihre rechtliche Heimat im Gesellschaftsrecht. Denn die Justiz behauptet, es gebe neben einem im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer einen weiteren, nicht eingetragenen Geschäftsführer. Alternativ wird bei führungslosen Gesellschaften behauptet, der „faktische“ sei der wahre Geschäftsführer. Es handelt sich also schlicht um eine „Fiktion“ der Justizbehörden, um an das gewünschte Haftungsziel zu gelangen. Ist diese Fiktion erst einmal konstruiert, wird der „faktische“ sowohl mit Strafbarkeitsvorwürfen konfrontiert wie auch mit den Vorwürfen steuerlicher Haftung, insolvenzrechtlicher Verantwortlichkeit oder Verantwortung für sonstige Geschäftsführerpflichten (Kapitalerhaltung, Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen usw.).
Was bedeutet demgegenüber eine faktische Gesellschaft?
In dieser Konstellation fingiert die Justiz das Bestehen einer (Personen-)Gesellschaft, z.B. einer oHG, die das Ziel habe, rechtswidrige Handlungen zu begehen, also z.B. Steuern zu hinterziehen, Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen oder sonstige Betrügereien zu begehen. Die Behörden und Gerichte behandeln die ins Visier geratenen Beteiligten so, als hätten diese sich zur Begehung dieser Straftaten bewusst zusammengeschlossen. In der zweiten Stufe werden die angeblichen Gesellschafter dann mit Haftungs- und Strafansprüchen überzogen, gegen die sich jene dann wehren müssen.
Wie kann man beide Fiktionen voneinander abgrenzen?
In der Rechtsprechung wird der Vorwurf einer faktischen Gesellschaft, soweit ersichtlich, nur erhoben, wenn nicht schon über die länger in der Rechtsprechung anerkannte Fiktion der faktischen Geschäftsführung das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Insofern ist die Prüfung einer faktischen Geschäftsführung vorgreiflich. Hintergrund ist auch, dass eine faktische Geschäftsführung in einer unzweifelhaft bestehenden (und ggf. auch eingetragenen) Gesellschaft mit größerer Sicherheit fingiert werden kann, als wenn das Bestehen einer Gesellschaft an sich schon auf Fiktion beruhen muss. Die Einzelheiten sind in Rechtsprechung und Literatur noch nicht abschließend geklärt.