Haftung für Steuerverbindlichkeiten von Geschäftsführern
Wenn sich das Finanzamt plötzlich doch noch einmal meldet.
Haftung definieren die Juristen als Einstehenmüssen für fremde Schuld. Dies erklärt, dass es bei natürlichen Personen als solchen wie auch bei Einzelunternehmern keine Haftung gibt. Diese müssen vielmehr ihre eigenen Steuern bezahlen. Eine Haftung kann demzufolge nur dann eintreten, wenn jemand für einen anderen Verantwortung trägt, dabei eine Pflicht verletzt und deshalb für eine eigentlich fremde Verbindlichkeit mit in die Verantwortung genommen wird, weil beim eigentlichen Schuldner der Anspruch nicht realisiert werden kann. Und genau das ist es, worum es auch bei der Haftung für Steuerverbindlichkeiten geht. Dies ist damit vor allem eine Problematik der GmbH (einschließlich der UG) und – deutlich weniger häufig – der Aktiengesellschaft. In der Praxis bedeutet die Frage der Haftung für Steuerverbindlichkeiten also, ob und inwieweit GmbH-Geschäftsführer und ggf. andere Personen für die Steuerverbindlichkeiten der GmbH einstehen müssen, wenn die GmbH diese nicht bezahlen kann.
Inhaltsverzeichnis Leitfaden
Folgende Beratungsbereiche decken wir hier u.a. ab:
- 1. Wer alles für die Steuern der GmbH haften kann
- 2. In welchem Umfang die Haftung für Steuerverbindlichkeiten der GmbH drohen kann
- 3. Welche Art von Pflichtverletzung für eine Haftung erforderlich ist
- 4. Einzelhaftung oder Gesamthaftung von Geschäftsführern
- 5. Mithaftung eines Steuerberaters, Rechtsanwalts, Wirtschaftsprüfers
- 6. Mithaftung eines fakultativen Aufsichtsrats der GmbH
- 7. Geschäftsinsolvenz und Privatinsolvenz
- 8. Vermögensabschirmung für Haftende
- 9. Häufig gestellte Fragen (FAQ) – Haftung für Steuerverbindlichkeiten von Geschäftsführern
1. Wer alles für die Steuern der GmbH haften kann
Nach Gesetz und Rechtsprechung kommen grds. nur die im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer (unabhängig von der internen Aufgabenverteilung) für die Haftung der Steuerverbindlichkeiten der GmbH in Betracht. Prokuristen haften nur dann, wenn sie wie die Geschäftsführer für die Steuern der GmbH verantwortlich sind (dies ist in der Praxis äußerst selten). Schließlich können auch sog. faktische Geschäftsführer wie eingetragene Geschäftsführer haften. Faktische Geschäftsführer sind nach den Grundsätzen der Rechtsprechung solche Personen, die mindestens sechs von acht definierten Geschäftsbereichen der GmbH bestimmen und in diesen Bereichen den eingetragenen Geschäftsführer verdrängen.
2. In welchem Umfang die Haftung für Steuerverbindlichkeiten der GmbH drohen kann
Die Gerichte verlangen eine Gleichbehandlung des Finanzamts mit den sonstigen Gläubigern der GmbH. In der Praxis ist es leider oft so, dass bei Geldknappheit die Geschäftsführer der GmbH an die Arbeitnehmer nur die Netto-Löhne auszahlen, die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge aber für andere Ausgaben (z.B. Wareneinkäufe) verwenden. Da dies jedoch eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer und des Finanzamts darstellt, muss der Geschäftsführer bei Zahlungsausfall der GmbH die Lohnsteuer selbst an das Finanzamt bezahlen (Haftung für Lohnsteuer). Die zweite, sehr häufig problematische Steuerart ist die Umsatzsteuer. Hier kommt es vor, dass der Geschäftsführer die Umsätze nicht oder zu niedrig erklärt, um weniger Umsatzsteuer zahlen zu müssen und damit Liquidität für andere Ausgaben des Unternehmens zu gewinnen. Auch hier haftet der Geschäftsführer für die nichtabgeführte Umsatzsteuer privat mit seinem Vermögen. In beiden Fällen liegen auch Steuerstraftaten vor (Hinterziehung von Lohn- und Umsatzsteuer). Außerdem ist das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen von Arbeitnehmern eine weitere Straftat.
3. Welche Art von Pflichtverletzung für eine Haftung erforderlich ist
Die Pflichtverletzung besteht hier in der vorsätzlichen oder fahrlässigen Schlechterbehandlung des Finanzamts gegenüber den sonstigen Gläubigern der GmbH. Würde der Geschäftsführern also allen Gläubigern nur 80% der Forderungen bezahlen und auch dem Finanzamt nur 80% der Steuern zahlen, läge keine Ungleichbehandlung vor, so dass auch eine Haftung gegenüber dem Finanzamt ausscheidet.
4. Einzelhaftung oder Gesamthaftung von Geschäftsführern
Die Geschäftsführer haften als sog. Gesamtschuldner. Das heißt, dass das Finanzamt von jedem einzelnen Geschäftsführer die gesamten Steuerschulden verlangen kann, nicht nur seinen Anteil nach Köpfen. Intern sind dann mehrere Geschäftsführer untereinander ausgleichspflichtig. Wegen dieser hohen Gefahr sollte eine umfängliche D&O-Versicherung (Managerhaftpflichtversicherung) für den oder die Geschäftsführer abgeschlossen werden. Eine klare interne Aufgabenverteilung, wonach nur ein bestimmter Geschäftsführer für die finanziellen Aufgaben zuständig war, kann nach der Rechtsprechung die Inhaftungnahme des anderen vermeiden, wenn diese Aufgabenverteilung zuvor schriftlich niedergelegt und so auch umgesetzt wurde. Weitere Voraussetzung ist, dass der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer auch ausreichend kompetent war, um diese Aufgabe zu erfüllen. Bei erkennbaren Problemen muss dann allerdings auch der intern unzuständige Geschäftsführer eingreifen. Allerdings muss beim Insolvenzantrag jeder Geschäftsführer tätig werden, auch der intern für Finanzen unzuständige.
5. Mithaftung eines Steuerberaters, Rechtsanwalts, Wirtschaftsprüfers
Berater der GmbH können als Anstifter oder wegen Beihilfe zu der Pflichtverletzung des Geschäftsführers mit in die Verantwortung geraten, sowohl strafrechtlich als auch finanziell. Die strafrechtliche Verantwortung kann im Bereich der Teilnahme an einer Steuerhinterziehung oder Insolvenzverschleppung eintreten, die finanzielle (zivilrechtliche) durch Schlechterfüllung des Beratervertrages gegenüber der GmbH.
6. Mithaftung eines fakultativen Aufsichtsrats der GmbH
Eine GmbH kann einen sog. fakultativen Aufsichtsrat bestellen, der ähnlich einem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft eine Oberaufsicht über die Geschäftsführung ausübt. Existiert ein solcher Aufsichtsrat, muss er auch seine (vertraglichen und gesetzlichen) Pflichten erfüllen. Es kommt hier eine Mithaftung in Betracht durch Schlechterfüllung des Aufsichtsratsvertrages gegenüber der GmbH wie auch wegen der durch Verweisung geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft (soweit auf fakultative Aufsichtsräte anwendbar). Kritisch kann hier die Beweislastumkehr des Aktiengesetzes für Mitglieder des Aufsichtsrates werden. Auch hier sollte eine umfängliche D&O-Versicherung für die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats abgeschlossen werden.
7. Geschäftsinsolvenz und Privatinsolvenz
Da die Haftung für Steuerschulden der GmbH oft in einer Insolvenzsituation zum Tragen kommt und statt der ohnehin zahlungsunfähigen GmbH dann die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden, stellt sich oft die Problematik, dass die Geschäftsführer ihrerseits dann eine Privatinsolvenz beantragen müssen, weil auch sie die nachzuzahlenden Beträge nicht aufbringen können. Für die betreffenden Geschäftsführer ist es dann sehr wichtig, ob ihnen diese Beträge im Rahmen einer Restschuldbefreiung erlassen werden können oder nicht. Hier kommt es darauf an, ob diese Steuerverbindlichkeiten durch eine Straftat (z.B. Steuerhinterziehung, Steuerverkürzung) entstanden sind oder nicht. Sofern eine Straftat vorliegt, werden die Verbindlichkeiten nicht von der Restschuldbefreiung erfasst, sondern bleiben, ggf. bis ans Lebensende, bestehen.
8. Vermögensabschirmung für Haftende
Vor dem Hintergrund der unbeschränkten persönlichen Haftung in solchen und ähnlichen Fallen und weiter vor dem Hintergrund einer ggf. doch nicht / nicht voll eingreifenden D&O-Versicherung stellt sich immer wieder die Frage einer ergänzenden legalen Vermögens- bzw. Haftungsabschirmung für Geschäftsführer und ggf. andere Haftende. In der Praxis werden aus diesem Grund oft Vermögenswerte auf Ehepartner ohne Geschäftsrisiko (oft die Ehefrau) übertragen, sei es durch Schenkung oder andere Wege (z.B. die Güterstandschaukel). Bei Übertragungen spielt der Zeitfaktor eine große Rolle, da das Anfechtungsgesetz eine rückwirkende Beseitigung von Vermögensminderungen für bis zu vier Jahre ermöglicht.
9. Häufig gestellte Fragen (FAQ) – Haftung für Steuerverbindlichkeiten von Geschäftsführern
Hier eine Auswahl von häufigen Fragen zur Thematik und Antworten hierauf: