Streitfragen bei USt, KSt, ESt, AO

Streit mit dem Finanzamt – eine unendliche Geschichte

Das Steuerrecht ist eine lebende, sich stetig verändernde Materie. Das hat damit zu tun, dass sich die wirtschaftliche Wirklichkeit wie auch die Prüfungsschwerpunkte der Finanzämter immer wieder ändern. Manchmal ändert sich aber auch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte oder des Europäischen Gerichtshofs der EU, so dass Konflikte mit der Finanzverwaltung aufbrechen, die neue Urteile nicht umsetzen will (Nichtanwendungserlasse). Wir fechten eine Vielzahl solcher Fälle für unsere Mandanten in Einspruchsverfahren und vor den Finanzgerichten aus. Eine exemplarische Anzahl stellen wir hier vor.

1. Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland

Ein steuerpflichtiger Mann will aus Deutschland aus beruflichen Gründen ins Ausland ziehen, da er in Deutschland keine beruflichen Perspektiven hat. Hierüber kommt es zu einem Zerwürfnis mit seiner Ehefrau, die auf keinen Fall Deutschland verlassen will, da hier auch das gemeinsame Kind und die weitere Familie leben. Es kommt zur Trennung, der Mann zieht fort. Die Ehe wird nach außen aufrechterhalten, aber nicht mehr gelebt. Nach vielen Jahren im Ausland bekommt der Mann Heimweh. Er kehrt nach Deutschland zurück, lebt aber weiterhin getrennt in einer eigenen Wohnung, allerdings in der Region, in der auch seine getrennte Frau und sein Kind leben. – Hier stellte sich die Frage, ob das Finanzamt behaupten darf, die Trennung sei nicht real gewesen, so dass der Mann immer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig geblieben sei. Die Antwort ist: Nein. Die Trennung ist das relevante Merkmal, ob noch ein ausreichender Bezug zu Deutschland vorliegt, das formale Bestehen einer Ehe genügt nicht. Kann der Mann also die Trennung belegen, kehrt er normal nach Deutschland zurück und beginnt damit erst wieder seine unbeschränkte Steuerpflicht.

2. Aufgabe oder Ruhenlassen eines Gewerbebetriebes

Ein steuerpflichtiger Mann verkauft sein Unternehmen in Deutschland und gründet stattdessen einen kleinen neuen Gewerbebetrieb, den er auch aus dem Ausland ausreichend betreuen kann. Er zieht in diesem Zusammenhang ins Ausland. Die Umsätze des Betriebes ruhen aus persönlichen Gründen dann eine Weile, kommen aber wieder in Gang und werden stetig, mit unterschiedlichem Erfolg aber insgesamt gewinnbringend, fortgeführt. – Hier war zu klären, ob der Betrieb in Deutschland vom Finanzamt anzuerkennen ist, auch wenn die Umsätze in einem bescheideneren Umfang getätigt werden als bei dem verkauften Unternehmen. Die Antwort war: Ja. Entscheidend ist nicht die Höhe der Umsätze, sondern die sog. Totalgewinnprognose. Das heißt, es muss sich aus der gewerblichen Tätigkeit insgesamt ein Gewinn von theoretisch mindestens einem Euro ergeben. Andernfalls vermuten Rechtsprechung und Finanzämter gemeinsam eine sog. Liebhaberei. Eine überschaubare Unterbrechung der gewerblichen Tätigkeit ist unschädlich, wenn die Grundlagen dieser Tätigkeit (Räume, Vorräte, Kundenstamm usw.) erhalten bleiben und später weitergenutzt werden.

3. Nutzungsdauer von vermieteten Immobilien und Gebäude-AfA

Ein Eigentümer von Immobilien aus den 1960er Jahren sah sich damit konfrontiert, dass das Finanzamt schematisch von einer Nutzungsdauer von 50 Jahren (AfA von 2% p.a.) ausging, obwohl die Immobilien erhebliche Abnutzungserscheinungen aufwiesen und auch schon in den vergangenen Jahrzehnten vom Gesetz einer Nutzungsdauer von 50 Jahren angenommen wurde. Die Lösung hin zu einer höheren Jahresabsetzung lag in der Einholung qualifizierter Wertgutachten, die nach Beschreibung der konkreten Abnutzung zu einer Restnutzungsdauer von 25 Jahren kamen. Damit erhielt der Mandant statt 2% nunmehr eine AfA von 4% p.a. Bei Anschaffungskosten von 500.000 Euro ist dies ein AfA-Betrag von 20.000 Euro p.a. statt nur 10.000 Euro p.a.

4. Besondere Gestaltungen beim Fahrtenbuch für betriebliche Pkw

Fahrtenbücher sind seit vielen Jahren ein beliebter Prüfungsgegenstand der Betriebsprüfung, u.a. auch deswegen, weil beim Führen des Fahrtenbuchs immer wieder Fehler gemacht werden, so dass das Finanzamt das Fahrtenbuch dann insgesamt nicht anerkennen will. Als Folge will das Finanzamt dann die sog. 1%-Regelung anwenden, was bedeutet, dass der Pkw zwar als betrieblich genutzt anerkannt, jedoch für jeden Monat 1% des Bruttolistenpreises als private Entnahme angesetzt wird. Dies führt bei teuren Neuwagen zu hohen Nachzahlungen. Die Frage stellt sich, ob dies so hingenommen werden muss. – Die Antwort ist: Nein. Zum einen berechtigt nicht jeder Fehler im Fahrtenbuch zur Versagung der Anerkennung, die Gerichte differenzieren hier nach der übrigen Beleg-Situation. Zum anderen gibt es mit dem sog. Ehegattenvorschaltmodell (vgl. Bundesfinanzhof v. 29.09.2022 – V R 29/20) eine Gestaltung, die die Anwendung der 1%-Regelung sogar ohne Fahrtenbuch ausschließt. Die Erforderlichen Überlassungsverträge bereiten wir für unsere Mandanten vor.

5. Beratungsfehler des Steuerberaters bei der Umsatzsteuer (hier: § 13b UStG)

Ein Unternehmer bezog Bauleistungen für sein Unternehmen von einem Zulieferer. Der Zulieferer stellte hierüber gegen das Gesetz (§ 13b UStG) Rechnungen mit Ausweis von Umsatzsteuer aus. Der Steuerberater verbuchte die Rechnungen des Leistungsempfängers ungeprüft und wies seinen Mandanten nicht auf die Fehlerhaftigkeit der Rechnungen hin. Bei einer Prüfung durch das Finanzamt wurde die Umsatzsteuer korrigiert und die Vorsteuer in großem Umfang vom Leistungsempfänger zurückgefordert. Der Leistungsempfänger verlangte vom Steuerberater Ersatz der zurückzuzahlenden Vorsteuer, da der Zulieferer inzwischen insolvent war. Der Steuerberater verwies auf den Vorrang der Inanspruchnahme des Zulieferers. Zu Recht? – Nein, der Steuerberater hat hier durch die ungeprüfte Verbuchung der fehlerhaften Rechnungen seine Pflichten verletzt. Der Schaden des Leistungsempfängers ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs bereits mit den Rückforderungsbescheiden des Finanzamts entstanden, so dass der Leistungsempfänger nicht den Ausgang des Insolvenzverfahrens des Zulieferers abwarten muss.

6. Wegzugsbesteuerung und wesentliche wirtschaftliche Interessen

Nach § 2 Außensteuergesetz kommt es zu einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht, wenn ein wegziehender deutsche Staatsbürger in Deutschland noch wesentliche wirtschaftliche Interessen hat. Diese werden im Gesetz u.a. mit einem in Deutschland belegenen Vermögen von 154.000 Euro definiert. Ein Steuerpflichtiger stand vor der Frage, ob ein in Deutschland belegenes, nicht vermietetes Haus mit einem Wert über 154.000 Euro diese Definition erfüllt. – Die Antwort ist: Nein. § 2 AStG stellt nur auf Vermögen ab, dass zum Erzielen von Erträgen bestimmt ist. Ertragloses Vermögen wie ein privates Haus fällt nicht hierunter. Damit lagen auch keine wesentlichen Wirtschaftlichen Interessen in Deutschland vor.

7. Begleitung des Umzugs eines Steuerpflichtigen ins DBA-günstige Ausland

Ein Steuerpflichtiger hatte eine hohe Steuerschuld in Deutschland, die durch fehlerhafte Erklärungen des beauftragten Steuerberaters zustande gekommen waren. Er erzielte fast ausschließlich Erträge im Ausland. Die Situation war für ihn zunächst aussichtslos. – Für den Mandanten wurde zunächst ein privates Insolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung durchgeführt. Anschließend zog er ins europäische Ausland um, wo die Doppelbesteuerungsabkommen des neuen Wohnsitzlandes nur noch zu einer geringen Besteuerung seiner Einkünfte führten. Der Mandant ist seither völlig saniert und hat keine Probleme mit dem lokalen Finanzamt mehr.

8. Häufig gestellte Fragen (FAQ) – Streitfragen bei USt, KSt, ESt, AO

Zu den oben genannten Themenbereichen erhalten wir laufend Anfragen, von denen wir hier einige mit den Antworten wiedergeben:

Unbeschränkte Steuerpflicht liegt vor, wenn jemand in Deutschland entweder einen Wohnsitz hat oder aber sich in Deutschland mehr als 183 Tage im Jahr aufhält (sog. 183-Tage-Regel). Liegt weder das eine noch das andere vor, kann der Betreffende in Deutschland nur steuerpflichtig sein, wenn er aus Deutschland Einkommen bezieht, z.B. hier Miete aus einer vermieteten Wohnung erzielt (sog. Quellenbesteuerung; beschränkte Steuerpflicht).

Liebhaberei heißt, dass der Steuerpflichtige eine Aktivität nicht betreibt, um damit Einkünfte zu erzielen, sondern aus persönlicher Leidenschaft. Klassiker ist der Betrieb eines Pferdegestüts, welches dauerhaft Verluste erzielt. Wenn das Finanzamt Liebhaberei annimmt, führt dies dazu, dass einerseits punktuell erzielte Einkünfte nicht besteuert werden, andererseits die typischer Weise hohen Ausgaben auch nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Die gesamte Aktivität ist damit Privatsache.

Zunächst gibt es bei der Vermögensverwaltung keine Höchstgrenze von Immobilien. Selbst wenn soviele Immobilien vermietet werden, dass deren Verwaltung ein eigenes Büro mit eigenen Angestellten benötigt, liegt nach allgemeiner Auffassung immer noch private Vermögensverwaltung vor. Dies ändert sich jedoch dann, wenn erhebliche Dienstleistungen hinzukommen (Bewachungs- und Putzdienste uam.) oder wenn überwiegend kurzfristig (hotelähnlich) vermietet wird (Parkplätze, Campingplätze, Ferienwohnungen uam.), gehen die Finanzämter von Gewerblichkeit aus. Auch gelegentliche Verkäufe von Bestandsimmobilien sind für die Vermögensverwaltung grds. unschädlich. Wird allerdings die sog. Drei-Objekte-Grenze überschritten, wird ein gewerblicher Grundstückshandel angenommen. Ausnahme ist hier wiederum der Verkauf aller Immobilien in einem Zuge (unschädliche Aufgabe der Vermögensverwaltung).

Die Rechtsprechung ist hier von Fall zu Fall unterschiedlich. Zunächst einmal gilt, dass der Unternehmer selbst und frei entscheiden darf, welche Betriebsausgaben er tätigen will, auch wenn vielleicht ein anderer Unternehmer in derselben Situation eine andere Entscheidung treffen würde. Es gibt daher keine richtigen oder falschen Betriebsausgaben, solange diese nur der Erzielung von Einkünften dienen. Demgemäß haben die Finanzgerichte auch teure Sportwagen als Geschäftswagen anerkannt, wenn diese nachvollziehbar zu erhöhten Geschäftsabschlüssen geführt haben können (angemessener Repräsentationsaufwand für das Unternehmen). Ähnliches gilt im Übrigen auch bei der Wahl von angemieteten Betriebsräumen, auch hier kann der Unternehmer frei zwischen billig und gehoben auswählen. Lässt sich allerdings kein positiver Effekt auf die Erträge oder Ertrags-Chancen des Betriebes darlegen, wird die Rechtsprechung meist ablehnend. Dabei spielt auch die Ertragslage des Unternehmens eine Rolle wie auch der Kaufpreis des Pkw und die jeweilige Branche.

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