Vertretung vor Gericht
Wir vertreten typische Wirtschaftsstrafprozesse und Steuerstrafprozesse
Wirtschafts- und Steuerstrafprozesse verlaufen nach etwas anderen Regeln als die sonstigen Strafverhandlungen. Es geht hier nicht um Gewalt oder Täter, die Spuren wie Fingerabdrücke o.ä. am Tatort hinterlassen haben. Es geht fast ausschließlich um Texte und Zahlen. Zu den Texten gehören Schriftverkehr, Vorschriften, Verträge, Berichte, Jahresabschlüsse usw. Zu den Zahlen gehören Bilanzen, Berechnungen, Steuererklärungen und Steuerbescheide, Rechnungen, Kalkulationen usw. Diese Strafprozesse sind daher sehr textlastig, sie erfordern konzentrierte Lesearbeit über hunderte oder tausende von Seiten. Die anzuwendenden Vorschriften bauen alle auf Zahlen und Verhältnissen von Zahlen zueinander auf. Ohne ein gutes Verhältnis zu Zahlen und zum Rechnen wie auch ein gutes Verständnis von wirtschaftlichen und steuerlichen Zusammenhängen ist jeder in diesem Bereich schnell in der Defensive. Daher ist es aus unserer Sicht auch zwingend, dass ein Berater in diesem Bereich Rechtsanwalt und Steuerberater sein muss. Damit ist dann auch bereits ein fachlicher Vorsprung vor den Staatsanwälten und Richtern gegeben, die reine Juristen sind.
Inhaltsverzeichnis Leitfaden
Folgende Themen sind hier oft relevant:
1. Befangenheitsanträge
Ein Befangenheitsantrag gegen einen oder mehrere Richter, Schöffen oder Sachverständige setzt voraus, dass Zweifel an dessen oder deren Unparteilichkeit bestehen. Es ist also nicht der Beweis der Voreingenommenheit erforderlich, sondern nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Verteidigung muss diese Zweifel objektiv darlegen. Es hat sich eine Betrachtung nach Fallgruppen hierzu herausgebildet. Gründe für die Besorgnis der Befangenheit sind u.a.:
- Verwandtschaft oder Freundschaft mit dem Angeklagten, dem Opfer, einem sonstigen Beteiligten,
- Äußerungen außerhalb des Prozesses oder im Prozess, die eine Parteilichkeit nahelegen,
- Unsachliche Prozessführung mit Benachteiligung des Angeklagten usw.
Ein Befangenheitsantrag gegen den Vertreter der Staatsanwaltschaft ist nicht möglich.
2. Beweisanträge
Der Verteidiger darf genau wie die Staatsanwaltschaft auch Beweisanträge stellen, um den Sachverhalt aufzuklären. Hiervon muss der Verteidiger schon deshalb extensiv Gebrauch machen, weil die Staatsanwaltschaft sich in der Praxis nur um die Beweise kümmert, die den Vorwurf in der Anklageschrift stützen. Auch legen sich die Gerichte oft schon vor der Urteilsfällung mehr oder weniger deutlich auf eine bestimmte Sichtweise fest. Der Verteidiger muss dann besonders intensiv mögliche Beweismittel, insbesondere Zeugen und Urkunden, ermitteln und in den Prozess als Beweise einführen. Das Gericht darf solche Beweisanträge grds. nicht ablehnen. Eine Ablehnung ist nur in sehr engen Grenzen erlaubt, z.B. wenn die Beweisanträge der Verfahrensverzögerung dienen oder gegen Beweisverbote verstoßen. Die Ablehnung muss durch Gerichtsbeschluss erfolgen. Eine fehlerhafte Entscheidung über einen relevanten Beweisantrag begründet eine Berufung / Revision, was zur Aufhebung des Urteils führen kann.
3. Beweiserhebung
Auch bei der Beweiserhebung darf sich der Verteidiger nicht auf Staatsanwalt oder Gericht verlassen. Denn auch hier werden vorgefasste Meinungen dieser Beteiligten verhindern, dass z.B. bei der Zeugenvernehmung die für die Entlastung des Mandanten erforderlichen Fragen auch tatsächlich gestellt werden. Deswegen hat der Verteidiger auch ein eigenes Fragerecht. Weiter muss auch darauf geachtet werden, dass die für die Verteidigung wichtigen Antworten von Zeugen anschließend vom Gericht auch exakt protokolliert werden. Ist dies nicht der Fall (der Verteidiger darf sich das Protokoll direkt vorlesen lassen), muss der Verteidiger so lange nachhaken, ggf. durch Wiederholung der Frage an den Zeugen, bis die Antwort des Zeugen korrekt protokolliert ist. Dies kann zuweilen zu etwas hitzigen Beweisaufnahmen führen. Hier muss der Verteidiger zäh kämpfen und darf sich nicht durch zur Schau gestellte Ungeduld des Staatsanwalts oder Richters beeindrucken lassen.
4. Beweiswürdigung
Ist der Beweistermin durchgeführt, erfolgt die Würdigung der erhobenen Beweise durch Schriftsätze des Verteidigers. Diese sind nach Eingang der Protokolle oder auf der Grundlage selbst erstellter Protokolle zu fertigen. In diesen Schriftsätzen sind die Aussagen der Zeugen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu bewerten, gegen andere Zeugenaussagen und Beweismittel abzugleichen usw. Hier eröffnet sich vielfach ein großer Beurteilungsspielraum. Dieser arbeitet stets für den Angeklagten, denn es gilt der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro reo). Nicht selten verstoßen Staatsanwaltschaft und Gerichte gegen diesen Grundsatz, weil sie nur noch die vorgefasste Meinung bestätigt sehen wollen. Diese einseitige Bewertung der erhobenen Beweise kann ebenfalls in Berufung / Revision zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils führen.
5. Sachverständigenauswahl
Muss über bestimmte Sachverhalte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden (z.B. über die steuerliche Bewertung bestimmter Angaben in Steuererklärungen zur Ermittlung eines Schadensbetrages), muss ein geeigneter Sachverständiger bestellt werden. Die Auswahl des Sachverständigen erfolgt durch das Gericht durch Beschluss. Der Sachverständige kann abgelehnt werden, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund vorliegt (Voreingenommenheit, Vorbefassung usw.). Die Fehler des Sachverständigen können nur im Rechtsbehelfsverfahren gerügt werden.
6. Gerichtsgutachten und Gegen-Gutachten
Die Verteidigung kann auch selbst Sachverständige mit der Erstellung von Gutachten beauftragen, um so ggf. fehlerhafte Begutachtungen durch den gerichtlichen Sachverständigen zu korrigieren. Kommen beide Sachverständige zu unterschiedlichen Ergebnissen, muss das Gericht sich damit auseinandersetzen. Tut es das nicht, kann auch dies in der Berufung / Revision zur Aufhebung des Urteils der ersten Instanz führen.
7. Rechtsmittel
Je nach Art der Straftat sind die Amtsgerichte die erste Instanz im Strafprozess. Die Amtsgerichte sind zuständig, wenn Strafen bis zwei Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten sind (Einzelrichter) bzw. wenn diese Strafe zwei bis vier Jahre betragen wird (Schöffengericht). Die Landgerichte sind als erste Instanz oberhalb von vier Jahren zu erwartender Freiheitsstrafe zuständig bzw. bei Verbrechen, für die die Amtsgerichte oder Oberlandesgerichte nicht zuständig sind. Die Oberlandesgerichte sind zuständig in erster Instanz für Staatsschutzsachen, z.B. Verhandlung von terroristischen Straftaten.
In der zweiten Instanz (Berufung) sind die Landgerichte zuständig für die erstinstanzlichen Urteile der Amtsgerichte.
In der letzten Instanz (Revision) sind die Oberlandesgerichte zuständig für die Berufungsurteile der Landgerichte und ist der Bundesgerichtshof zuständig für Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte. Für die Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte gibt es also keine Berufungsinstanz.
8. Einstellung nach Zurückverweisung
Wenn ein Urteil in der Revision aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wird, stellt sich für das nun die Sache neu verhandelnde Gericht oft die Frage der Prozessökonomie. Das aufgehobene Urteil litt ersichtlich unter großen Mängeln, daher müsste an sich die Ermittlung des Sachverhalts und dessen rechtliche Würdigung von Grund auf neu durchgeführt werden. In der Zwischenzeit ist die Erinnerung der Zeugen verblasst oder sind Zeugen ggf. verstorben oder nicht mehr auffindbar, die Aufklärung der relevanten Sachverhalte wird durch Zeitablauf immer schwieriger und zusätzlich ist das reguläre Arbeitspensum von Richtern und Staatsanwälten zu erledigen. Es stellt sich daher in dieser Situation häufig die Frage einer Verfahrenseinstellung, idR. mit einer Geldauflage. Hier besteht die Möglichkeit, trotz eines mehrjährigen Prozesses am Ende doch noch als unbescholten aus dem Prozess hervorzugehen. Auch ist das Argumentationstalent des Verteidigers gegenüber Gericht und Staatsanwalt entscheidend.
9. Häufig gestellte Fragen (FAQ) – Vertretung vor Gericht
Ein Klick genügt, um Antworten auf besonders oft gestellte Fragen zur Vertretung vor Gericht zu erhalten.